Polyphasischer Schlaf

Eine Frau praktiziert polyphasischen Schlaf und ruht sich unter einer weißen Decke aus, den Kopf auf einem Kissen. Ein Wecker zeigt 6:30 neben einem Stapel Bücher und einer Lampe in dem schwach beleuchteten Schlafzimmer.

Aktualisiert von Laura am 12. August 2025
Veröffentlicht von Petra am 1. Juli 2021

Das Wichtigste in Kürze

  • Definition: Mehrere Schlafphasen statt einer langen Nachtruhe am Stück
  • Ziel: Höhere Produktivität dank kürzerer Gesamtschlafzeit
  • Populäre Varianten: Segmentierter Schlaf, Dymaxion, Uberman, Everyman
  • Alltagstauglichkeit: Eher gering (durch soziale und berufliche Zeitvorgaben)
  • Kritik: Potenzielle Gesundheitsrisiken durch chronischen Schlafmangel

Was ist polyphasischer Schlaf?

Polyphasischer Schlaf (auch bekannt als Intervallschlaf) bedeutet, das Schlafpensum in mehreren zeitlich getrennten Abschnitten auf den Tag zu verteilen, anstatt es in einem Block zu erfüllen.

Der Ausdruck polyphasisch stammt aus dem Altgriechischen:

  • polý = viel, mehrere
  • phásis = Phase, Stadium

Wörtlich bedeutet polyphasischer Schlaf also aus mehreren Phasen bestehender Schlaf.

Der Kern des Konzepts: Kurze, aber intensive Schlafphasen sollen den Gesamt-Schlafbedarf verringern. Durch das längere Wachsein gewinnt man Lebenszeit, die man anderweitig nutzen kann. Befürworter versprechen sich davon eine gesteigerte Produktivität. Im Gegensatz zum polyphasischen Schlaf steht monophasischer Schlaf, bei dem die gesamte Nachtruhe am Stück erfolgt.

In vielen vorindustriellen Gesellschaften war segmentierter Schlaf üblich: Vor allem in den langen Winternächten bestand der Nachtschlaf oft aus zwei Abschnitten. Während der ein- bis zweistündigen Wachphase dazwischen erledigte man im Schein der Öllampe oder Kerze monotone Hausarbeiten, betete oder unterhielt sich.

In warmen Ländern entwickelte sich zusätzlich die Zwischenform des biphasischen Schlafs. Während der größten Mittagshitze konnte man nicht arbeiten und hielt einen mehrstündigen Mittagsschlaf (spanisch: Siesta). Biphasischer Schlaf kombiniert also einen langen Hauptschlaf (traditionell nachts) mit einem kürzeren Mittagsschlaf.

Formen und Muster des polyphasischen Schlafs

Alle polyphasischen Schlafmuster beruhen auf der Annahme, dass der Körper lernen kann, ohne vorhergehende Leichtschlafphasen direkt in erholsame Schlafphasen (REM- und Tiefschlaf) überzugehen. Auf diese Weise sollen kürzere Schläfchen den gleichen Erholungswert wie längere Nachtschlafphasen liefern. Drei der bekanntesten polyphasischen Schlafmuster haben sehr ungewöhnliche Namen.

Dymaxion, Uberman und Everyman: Ursprung und Namensherkunft

  • Dymaxion: Kunstwort aus den englischen Wörtern dynamic (dynamisch), maximum (maximal) und tension (Spannung). 1943 vom US-amerikanischen Architekten und Visionär Richard Buckminster Fuller geprägt, der es auch für seine Bauwerke und Erfindungen nutzte. Fuller fühlte sich mit seinem Dymaxion-Schlafplan (täglich vier Nickerchen à 30 Minuten) besonders produktiv.
  • Uberman: Öffentlich erstmals 1998 in der Online-Community Everything2 erwähnt. Entstammt Friedrich Nietzsches Begriff „Übermensch“ (englische Adaption: „Uberman“) − weil einem die Einhaltung dieses extremen Musters (ganz ohne längere Schlafphase) Übermenschliches abverlangt.
  • Everyman: Wörtlich „jedermann“. Der Begriff (seit Mitte der 2000er Jahre in Online-Foren zum Polyphasenschlaf populär) soll ausdrücken, dass das flexible Everyman-Schlafmuster angeblich für jede Person machbar sein soll.

Neben den etablierten Mustern existieren weitere, weniger bekannte polyphasische Schlafpläne wie Trimaxion, SPAMAYL, Tesla Schedule, Bimaxion oder Dual Core. Sie sind meist Variationen oder Mischformen der populären Modelle: Schlafdauer, Anzahl und Länge der Phasen werden verändert − um extremere Verkürzungen zu erreichen oder die Alltagstauglichkeit zu verbessern. Wir beschränken unsere Übersicht auf die bekanntesten Grundmodelle.

NameSchlafdauer/24hPhasenanzahlKurzbeschreibung
Segmentiertca. 6-8 h2Zwei längere Nachtschlafblöcke mit einer Wachphase dazwischen
Biphasisch (Siesta)ca. 6-7,5 h2Langer Hauptschlaf + kürzerer Mittagsschlaf
Dymaxionca. 2 h4Alle 6 Stunden ein 30-Minuten-Nickerchen
Ubermanca. 2 h6Nur kurze Naps alle 4 Stunden
Everyman
(E2, E3 oder E4)4-6 h3-51 Kernschlaf + 2, 3 oder 4 20-Minuten-Naps

Annahmen und Theorien der Intervallschlaf-Befürworter

Wie die Süddeutsche Zeitung bereits 2010 berichtete, argumentieren Anhänger des polyphasischen Schlafs, dass sich der Körper mit der Zeit an das Muster gewöhnt und effizienter schläft. Sie behaupten auch, dass insbesondere REM- und Tiefschlaf schnell erreicht werden („Kernschlaf“). Ziel ist eine möglichst kurze, aber dennoch erholsame Gesamtschlafzeit.

Häufig angeführte Vorteile polyphasischen Schlafs:

  • Mehr wache Stunden pro Tag
  • Weniger Schlafträgheit nach dem Aufwachen
  • Erhöhte Konzentration (nach erfolgter Eingewöhnung)
  • Verbesserte Traumerinnerung
  • Ähnlichkeit mit natürlichen tierischen Schlafmustern

Tipp

Wer polyphasisch schlafen möchte, sollte mit einem moderaten Muster wie „Everyman 2“ (z. B. 4,5 h Nachtschlaf + 2x 20 Min. Nap) starten und die Anpassungsphase bewusst einplanen – sie dauert oft mehrere Wochen.

Wissenschaftliche Bewertung und Kritik

Viele der genannten Vorteile stammen aus Einzelberichten oder Selbstversuchen. Wissenschaftlich fundierte Belege fehlen jedoch weitgehend: Aussagefähige Langzeitstudien liegen kaum vor. Vorhandene Ergebnisse stammen aus eher kurzzeitigen Tests mit kleinen Personengruppen und sehr hohen Abbruchraten. Aus schlafmedizinischer Sicht sind polyphasische Schlafmuster bedenklich, da lebenswichtigen Funktionen des Schlafs beeinträchtigt werden können.

Wissenschaftliche Kritikpunkte im Überblick:

  • Chronischer Schlafmangel: Viele Muster unterschreiten den individuellen Schlafbedarf
  • Kognitive Einbußen: Konzentrations- und Leistungsfähigkeit sinken messbar
  • Erhöhtes Krankheitsrisiko: Herz-Kreislauf-System, Stoffwechsel und Immunsystem können langfristig geschädigt werden
  • Psychische Belastungen: Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, depressive Symptome
  • Soziale Einschränkungen: Alltag oft nicht mit extremen Mustern vereinbar
  • Hohe Ausfallrate: Bei vielen scheitert die Umstellung nach wenigen Tagen

Wer praktiziert polyphasischen Schlaf?

Vor der industriellen Revolution und der Erfindung des Kunstlichts war Intervallschlaf in Form der segmentierten Nachtruhe sehr weit verbreitet. In modernen Gesellschaften findet man polyphasische Muster hingegen meist in speziellen Kontexten.

Typische Gruppen mit polyphasischem Schlafmuster:

  • Menschen in traditionellen Siesta-Kulturen (z. B. Mittelmeerraum)
  • Extremsituationen (Militär, Expeditionen, Langstrecken-Einhandsegeln, Raumfahrttraining)
  • Einzelpersonen auf der Suche nach mehr Produktivität
  • Selbstexperimentierende in Online-Foren oder Biohacking-Kreisen

Fazit

Polyphasischer Schlaf ist ein alternatives Schlafkonzept mit dem Ziel, die wach verbrachte Lebenszeit zu maximieren. Besonders radikale Varianten setzen auf sehr kurze Gesamtschlafzeiten mit verkürztem Nachtschlaf, was erhebliche Risiken birgt: Die Forschung warnt vor langfristigen Gesundheitsschäden und eingeschränkter Leistungsfähigkeit.

Nach aktuellem Wissensstand ist für die meisten Menschen ein kontinuierlicher, ausreichend langer monophasischer oder biphasischer Schlaf die bessere Wahl. Wer mit Intervallschlaf-Techniken experimentiert, sollte sich die Risiken bewusst machen – und sich im Zweifel vorher medizinisch beraten lassen.

FAQ

Die Frage ist, ob man während der kurzen Schlafphasen tatsächlich ausreichend und nachhaltig regeneriert. Besonders das Immunsystem benötigt ausreichend Schlaf. Umstritten ist, ob das während eines dauerhaften verkürzten Schlafs gewährleistet ist.

Nein, der Körper lässt sich nur begrenzt darauf trainieren, direkt in REM- oder Tiefschlaf überzugehen.

Das biphasische oder das „Everyman 2“-Muster lassen sich am ehesten mit normalen Arbeitszeiten vereinbaren.

Die Anpassung dauert meist 1 bis 3 Wochen und geht mit starkem Schlafentzug einher. Häufig scheint die Umgewöhnung aber gar nicht zu gelingen.

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