Aktualisiert von Marit Filger am 29. Juni 2025
Veröffentlicht von Marit Filger am 29. Juni 2025
Die Atelier-Edition ist eine limitierte Kollektion, inspiriert von Kreativschaffenden und kuratiert mit Gefühl für Farbe, Material und Ausdruck. Modedesignerin und Textilkünstlerin Lea Theres Lahr-Thiele ist die Kreativpatin für den Levi-Stoff Cloud-Bouclé in Lehmbeige. Im Gespräch erzählt sie, wie aus industriellen Reststoffen Zero-Waste-Couture entsteht – und warum kreative Freiheit für sie mit Struktur beginnt.
Erzähl uns von dir – wer bist du als Mensch und als Kreativschaffende, und wie hat dein beruflicher Weg deine Arbeit als Designerin geprägt?
Lea: Ich bin Textildesignerin mit einem starken Fokus auf Materialität. Ich experimentiere mit Struktur, Haptik und Oberfläche – zwischen Handwerk, Forschung und Technologie.
Weil ich fast ausschließlich mit limitierten Materialien arbeite – oft Deadstock oder Fundstücke – beginnt meine Arbeit meist damit, herauszufinden, was da eigentlich vor mir liegt. Ich lasse mich unvoreingenommen auf jedes Material ein, spüre ihm nach, kitzle seine Potenziale heraus, versuche es zu verstehen. Das ist manchmal fast wie Schatzsuche.
Ich liebe es, unterwegs zu sein, neue Eindrücke zu sammeln, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die an ähnlichen oder ganz anderen Dingen arbeiten. In meinem Atelier entstehen so Stoffe, die erzählen, überraschen und berühren.

Wie würdest du deine Designs in deinen eigenen Worten beschreiben?
Lea: Textilien waren schon immer ein Mittel, mit dem ich meine Welt gestaltet habe. Meine Arbeit ist sehr detailverliebt, intensiv und durchdacht – oft gestalte ich lieber noch eine „extra Runde“, statt auf vorgefertigte Lösungen zurückzugreifen, die seit Jahrzehnten einfach unhinterfragt übernommen werden. Warum geht unser System zum Beispiel davon aus, dass alle Menschen denselben Körper haben? Ich finde das absurd – und versuche, mit meinen Entwürfen genau solche Normen aufzubrechen.
Wie sieht ein Tag in deinem Atelier aus – und wie laufen kreative Prozesse bei dir ab?
Lea: Kein Tag, kein Prozess ist wie der andere. Trotzdem versuche ich, eine gewisse Struktur reinzubringen. Am Anfang steht oft ein Ausleeren des Kopfes – Gedanken notieren, Skizzen machen, Dinge sortieren. Dann kommt der Punkt, an dem ich einfach machen muss: repetitive Arbeiten, bei denen es nur noch ums Abarbeiten geht. Nicht besonders glamourös, aber notwendig. Und es gibt Tage, an denen ich völlig frei arbeite – wie bei den bestickten Stiefeln zum Beispiel. Da entsteht das Design Schritt für Schritt, intuitiv, ohne feste Planung.
Ich mag diesen Wechsel zwischen Phasen, in denen ich sehr explorativ unterwegs bin, und solchen, in denen ich einfach durchziehen muss. Aber klar: Kreative Prozesse gehen durch alle Gefühlslagen – mit Höhen und Tiefen. Gerade die letzten 20 Prozent sind oft emotional herausfordernd. Das kennen wahrscheinlich alle, die kreativ arbeiten.
Was inspiriert dich, wenn die kreative Energie mal ausbleibt?
Lea: Für mich ist es total wichtig, bewusst Pausen zu machen. Phasen, in denen ich wirklich gar nichts tue – oder es zumindest versuche. Ich schreibe dann viel, lasse Gedanken kommen und gehen oder sortiere Dinge. Als letztes habe ich meine Perlensammlung aufgeräumt: hunderte Formen, Farben, Größen. Allein das Sortieren bringt oft schon neue Ideen. Weil ich dabei merke, was da eigentlich alles an Potenzial vor mir liegt.

Wie beeinflusst die Gestaltung deines Arbeits- oder Wohnraums deine Stimmung und Kreativität?
Lea: Ich brauche Struktur, um kreativ sein zu können. Deshalb gestalte ich meine Räume so, dass jeder Bereich eine klare Funktion hat: Hier wird gestickt, da gemalt, dort genäht. Diese klare Trennung hilft meinem Kopf, fokussiert zu bleiben – weil ich an jedem Ort nur genau das tun kann, wofür er gedacht ist. In so einem engen Rahmen finde ich überraschend viel Freiheit.
Wie würdest du den Levi-Stoff Cloud-Bouclé in Lehmbeige aus der Atelier-Edition beschreiben?
Lea: Ich finde Levi toll – der Sessel ist richtig solide, super gemütlich und auf den Punkt gestaltet. Nichts Überflüssiges, aber mit einer klaren Linie, die ganz viele Möglichkeiten eröffnet. Das finde ich total schön, weil es so selten und wirklich nicht einfach ist, Produkte so durchdacht zu gestalten.
Der Stoff selbst hat eine feine Körnigkeit, die du beim Anfassen direkt spürst – ganz dezent, aber irgendwie belebt das die Sinne. Die Farbe mochte ich sofort. Lehmbeige hat so eine Tiefe und Wärme, wie dieser Moment kurz vorm Sonnenuntergang, wenn alles in Zwischentönen leuchtet und man plötzlich ein gutes Gefühl im Bauch hat.
Was bedeutet „Zuhause“ für dich?
Lea: Mein Mann. Ganz einfach.
Wie hat sich dein Gefühl für „Zuhause“ im Laufe deiner künstlerischen Entwicklung verändert?
Lea: Ich trenne heute viel stärker zwischen meinem Zuhause als Mensch und meinem Zuhause als Künstlerin. Dieses Nebeneinander von kreativem Chaos und bewusstem Abstand hilft mir, Dinge zu verarbeiten – und mich in beiden Welten so einzurichten, wie es gerade gebraucht wird.


Wie findest du die Balance zwischen kreativer Freiheit und wirtschaftlichem Druck?
Lea: Ich versuche, mich so gut es geht von äußeren Erwartungen und Trends zu lösen. Ich mache das, was sich richtig anfühlt – und wenn Menschen das berührt, entsteht fast von selbst eine Verbindung. Viele Begegnungen ergeben sich spontan, fast magisch. Wenn jemand ein Teil anzieht und sagt: „Das ist genau meins“, dann weiß ich, es hat funktioniert.
Oft braucht es aber Nähe, um meine Designs wirklich zu verstehen – du musst das Material anfassen, dich damit auseinandersetzen, es im Raum erleben. Erst dann entfaltet sich das, was ich da hineingelegt habe: die Begeisterung fürs Handwerk, die Sorgfalt, die Exklusivität.


Was steht bei dir als Nächstes an, und wovon möchtest du in deinem kreativen Leben mehr haben?
Lea: Mehr solcher Momente! Begegnungen, in denen Menschen etwas entdecken, was sie wirklich begeistert. Wo nicht geredet, sondern gefühlt wird. Und mehr Räume, in denen das möglich ist – offen, ehrlich, ohne Etikette. Ich wünsche mir ein Umfeld, in dem Textil erlebt werden kann.
Konkret steht gerade eine Bridal-Kollektion an, außerdem wünsche ich mir, im Bereich Textildesign noch sichtbarer zu werden. Ich bin viel unterwegs – bald in Portugal, um mir Deadstock-Materialien bei einem Partner anzuschauen. Es ist ein ständiger Wechsel zwischen Rückzug und Kontakt, zwischen Konzentration und Begegnung. Und genau das macht es für mich aus..

Fotocredits: Henri Röttger