Naturlatex

Kautschukbaum für Naturlatex

Aktualisiert von Laura am 2. Juni 2025
Veröffentlicht von Petra am 2. Juni 2025

Kurz und knapp: Naturlatex im Überblick

  • Hergestellt aus dem Milchsaft des Kautschukbaums (Hevea brasiliensis)
  • Hauptanbaugebiet ist Südostasien (> 90 % der weltweiten Ernte)
  • Reiner Naturlatex ohne synthetische Zusätze ist biologisch abbaubar
  • Typische Eigenschaften: elastisch, langlebig, atmungsaktiv, hygienisch
  • Begriff „Naturlatexmatratze“ nicht geschützt, enthält oft auch Syntheselatex

Was ist Naturlatex?

Naturlatex ist eine milchig-weiße Flüssigkeit, die aus dem Saft zahlreicher Pflanzen gewonnen werden kann. Die höchsten Erträge bei bester Qualität des Latexsafts bietet der Parakautschukbaum Hevea brasiliensis: Nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) liefert er über 90 % des weltweit genutzten Naturkautschuks.

Der Milchsaft des Kautschukbaums ist ein Gemisch von Wasser, Proteinen, Zuckerarten, Harzen und Partikeln des Polymers Polyisopren. Die Nutzung des Latexsafts wurde nachweislich schon um etwa 1600 v. Chr. von indigenen Völkern in Mittel- und Südamerika praktiziert. Sie nannten den Baum ca-hu-chu, weinendes Holz − hiervon leitet sich unser Wort Kautschuk ab.

Herkunft und Rohstoffquellen

Ab dem 18. Jahrhundert begannen europäische Kolonialmächte mit der systematischen Kautschuknutzung. Den Rohstoff hierfür lieferte der Parakautschukbaum. Hevea bezeichnet allgemein die Gattung der Kautschukbäume; brasiliensis heißt er, weil er aus dem tropischen Amazonasbecken des heutigen Brasiliens stammt.

Nachdem Entdeckungsreisende Kautschuksamen ins tropische und subtropische Asien verbracht hatten, entstanden dort ab den 1890er Jahren erste Plantagen. Im südostasiatischen Kautschukgürtel zwischen etwa 30 Grad nördlicher und südlicher Breite finden sich heute hauptsächlich großflächige Monokulturen. Mehr als 90 % des Naturkautschuks werden laut WWF dort produziert.

Die häufigsten Kautschuk-Anbaugebiete

  • Asien (hauptsächlich Thailand, Vietnam, Indonesien, Indien)
  • Lateinamerika (z. B. Brasilien)
  • West- und Zentralafrika (z. B. Elfenbeinküste, Ghana, Kamerun, Liberia, Nigeria)

Im globalen Kautschukhandel bedient die Wildsammlung lediglich kleine Nischen. Für industrielle Zwecke werden Plantagenbäume im großen Stil „gemolken“. Die Extraktion erfolgt durch Anritzen der Baumrinde (Tapping), wobei der Milchsaft in Behältern gesammelt wird. Die Produktion erfolgt je nach Anbaugebiet unter sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen.

Aufbereitung: Vom Pflanzensaft zur industriell nutzbaren Latexmilch

Das Abzapfen des Milchsafts aus Kautschukbäumen markiert den Beginn einer umfassenden Aufbereitung. Das komplexe Verfahren verwandelt instabilen natürlichen Latex schrittweise zu industriell nutzbarer Latexmilch für vielfältige Bereiche der Gummiherstellung.

Nutzbarmachung von Kautschuk-Milchsaft: Grundlegende Verarbeitungsschritte

  1. Sammlung: Auffangen in Gefäßen, dabei Verhindern der Gerinnung durch Zugabe von Stabilisatoren (meist Ammoniak).
  2. Reinigung: Ausfiltern von Blättern, Rinde oder anderen Fremdkörpern.
  3. Koagulation: Gezielte Gerinnung durch Säurezugabe. Die Kautschukpartikel flocken als feste Masse (Koagulat) aus.
  4. Walzen: Das Koagulat wird ausgepresst und zu dünnen Bahnen geformt.
  5. Trocknen: Nochmaliger Wasserentzug durch Luft-, Rauch- oder Heißlufttrocknung

Nur für wenige Spezialanwendungen wird Flüssiglatex exportiert. Trockener Naturkautschuk lässt sich günstiger transportieren, hält sich länger und lässt sich platzsparender lagern. An ihren Zielorten müssen die Gummiplatten jedoch aufwendig wieder verflüssigt und zu industriell einsetzbarer Latexmilch aufbereitet werden.

  1. Dispergierung/Emulgierung: Der feste Kautschuk wird in einer Art Seifenlauge gelöst bzw. damit gemischt.
  2. Konzentrierung (optional): Für einen höheren Kautschukgehalt kann die Dispersion durch Zentrifugieren oder Eindampfen konzentriert werden.
  3. Zugabe von Additiven: Um die Latexmilch zu stabilisieren und bestimmte Eigenschaften im Endprodukt zu erzielen, werden
    • Stabilisatoren (Gerinnungshemmer),
    • Vulkanisationsmittel wie Schwefel und Beschleuniger,
    • Treibmittel zum Aufschäumen und manchmal auch
    • Füllstoffe wie Ton oder Calciumcarbonat zugesetzt.

Die aufbereitete Latexmilch kann nun z. B. zu Autoreifen (Gesamtbedarf am Naturkautschuk laut WWF: rund 70 %), Gummistiefeln, Förderbändern oder Kondomen verarbeitet werden. Für Unterlagen wie Sportmatten oder Naturlatexmatratzen wird sie geschäumt und vulkanisiert, um dauerelastische Schaumstoffe zu erhalten. Rezepturen und Verarbeitung können sich je nach Hersteller und gewünschten Eigenschaften unterscheiden.

Herstellungsverfahren von Naturlatex-Produkten

Je nach Verwendungszweck und gewünschten Eigenschaften wird Naturlatex durch verschiedene Verfahren zu elastischen Produkten verarbeitet. Die Produktionsprozesse lassen sich in zwei große Gruppen unterteilen: Jene für nicht geschäumte Produkte wie Gummihandschuhe oder Dichtungen, und jene für geschäumte Produkte wie Matratzenkerne, Topper oder Kissen.

Tabelle: Herstellungsverfahren für nicht geschäumte Naturlatexprodukte

VerfahrenTypische ProdukteVerfahrenbeschreibungGeeignet fürBesonderheiten
Tauchverfahren (Dipping)Kondome, Handschuhe, BallonsForm wird in Latex getaucht, anhaftender Latex bei Hitze vulkanisiertReiner Naturlatex oder Mix mit SyntheselatexDünnwandig, hohe Elastizität, ideal für Einwegprodukte
Gießverfahren (Casting)Formteile, Kleidungs-stückeLatex wird in Form gegossen, Überschuss ausgekippt, dann VulkanisationMeist reiner Latex, seltener MischungenPräzise Formen, kontrollierte Wandstärke
ExtrusionSchläuche, DichtungenLatexmasse wird durch Düse gepresst und vulkanisiertVorwiegend synthetischer Latex, seltener NaturlatexKontinuierliche Produktion, industrielle Anwendung
Sprühbeschichtung (Spray Coating)Beschichtete Kleidung, AccessoiresLatex wird aufgesprüht, dann durch Hitze vulkanisiertReiner oder gemischter LatexSehr dünne Schichten, hohe Individualisierbarkeit

Manche Industrieprozesse sind unter Beigabe von synthetischem Latex einfacher oder preisgünstiger umsetzbar. Wie die Tabelle zeigt, werden sämtliche Produktionsmethoden daher nicht allein für reinen Naturlatex, sondern auch für Latexmischungen mit unterschiedlich dosierten Kunstlatexanteilen eingesetzt.

Dies gilt auch für die zwei Hauptverfahren zur Produktion von Naturlatexschäumen: das Dunlop- und das Talalay-Verfahren. Beide Methoden werden hauptsächlich zur Herstellung von Matratzen, Kissen, Polstern und orthopädischen Produkten genutzt. Sie bestimmen die späteren Materialeigenschaften – von sehr stabilen, stützenden Schaumstoffen bis hin zu weichen, nachgiebigen Komfortprodukten.

Dunlop-Verfahren

  • Entwickelt Anfang 20. Jahrhundert durch das britische Unternehmen Dunlop Rubber Co.
  • Ablauf:
    • Latex wird aufgeschäumt.
    • Die Masse wird in eine Form gegossen.
    • Direkte Vulkanisation bei ca. 100° C.
  • Eigenschaften: Dichte, robuste Struktur, fester, schwerer und kostengünstiger als Talalay.
  • Einsatzbereiche: Matratzenkerne und -auflagen, Kissen.
  • Geeignet für: Reinen Naturlatex und Latexmischungen.

Talalay-Verfahren

  • Entwickelt 1940er Jahre durch die russischstämmigen Gebrüder Talalay in den USA.
  • Ablauf:
    • Latex wird in die Form gefüllt und vakuumiert.
    • Anschließend schockgefroren (-30° C).
    • Vulkanisation bei kontrollierten Temperaturen.
  • Eigenschaften: Gleichmäßig feinporig, weich, luftig, besonders punktelastisch, aber teuer.
  • Einsatzbereiche: Premium-Matratzen und -Kissen, orthopädische Produkte.
  • Geeignet für: Reinen Naturlatex und Latexmischungen.

Eigenschaften von Naturlatexschäumen

Schaumstoffe aus Naturlatex eignen sich aufgrund ihrer Materialeigenschaften generell besonders gut für Anwendungsbereiche in der Schlaf- und Möbelindustrie. Die genaue Ausprägung der Parameter variiert je nach Produktionsmethode und ggf. beigemischtem Syntheselatexanteil.

Typische Merkmale von Naturlatexschaum sind:

Naturlatex: Begriffsverständnis und Deklaration

Wer „Naturlatexmatratze“ liest, könnte vermuten, dass ausschließlich Latex aus Naturkautschuk verwendet wurde. Rechtlich ist der Begriff Naturlatex aber nicht geschützt. Gerade bei Schlafprodukten werden gern Füllstoffe oder synthetischer Latex beigemischt, um Kosten zu senken. Manche Hersteller argumentieren auch sogar, dass Syntheselatex aus Erdöl hergestellt wird, das im Grunde ebenfalls als Naturprodukt gelten könne.

Sogenannte Naturlatexmatratzen können also auch aus einem Mix von Natur- und Syntheselatex bestehen. Je nach Herstellungsprozess kann dies durchaus zur Verbesserung der Verarbeitbarkeit oder Haltbarkeit erforderlich sein. Wer rein pflanzlichen Naturlatex bevorzugt, muss auf die transparente Deklaration der Inhaltsstoffe achten.

Zertifizierungen und konkrete Herstellerangaben zur Orientierung:

  • GOLS (Global Organic Latex Standard): Mindestens 95 % Naturlatex.
  • QUL (Qualitätsverband umweltverträgliche Latexmatratzen): Keine synthetischen Zusätze.
  • Herstellerangaben wie „100 % Naturlatex“ oder „natürlicher Ursprung“.

Umwelt- und Gesundheitsaspekte

Die Verwendung von Naturlatex wird im Allgemeinen als relativ umweltschonend und gesundheitlich unbedenklich eingestuft – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. Kritikpunkte betreffen vor allem Mischformen mit synthetischem Latex oder umweltschädliche Herstellungspraktiken.

Mögliche Probleme des Kautschukanbaus sind laut WWF:

  • Ökologische Folgen wie Abholzung von Regenwäldern, Verlust von Biodiversität, Bodenerosion sowie hoher Pestizid- und Düngemitteleinsatz bei Monokulturen.
  • Soziale Folgen wie Landraub, Vertreibung von Kleinbauern, Abhängigkeit von schwankenden Kautschukpreisen sowie Menschenrechtsverletzungen auf Plantagen.

Die Zeitschrift ÖKO-TEST untersucht regelmäßig Latexmatratzen auf Funktion und Schadstoffe. Sie kritisiert vereinzelte Funde von Schadstoffen wie Antimon (bei polyesterhaltigen Bezügen der Latexmatratzen), krebserregenden Nitrosaminen (Rückstände aus der Latexproduktion) und schwer abbaubaren optischen Aufhellern. Gesetzliche Grenzwerte wurden zuletzt aber nicht überschritten.

Der Allergieinformationsdienst sieht ein eher geringes Allergierisiko. Er gibt an, dass Naturlatex in vielen Alltagsgegenständen stecke, in der Regel jedoch keine Sensibilisierung verursache. Bei Menschen mit bereits vorhandener Latexallergie könnten naturlatexhaltige Produkte wie Haushaltshandschuhe, Radiergummis, Kondome, Schnuller, Kaugummis oder Matratzen allergische Reaktionen auslösen, was aber ebenfalls nur selten vorkomme.

FAQ

Kann Naturlatex Allergien auslösen?

Ja, in seltenen Fällen. Personen mit Latexallergie sollten sicherheitshalber auf entsprechend gekennzeichnete Produkte verzichten.

Ja, reiner Naturlatex ohne synthetische Beimischung ist vollständig biologisch abbaubar.

Bei guter Pflege liegt die Lebensdauer je nach Qualität zwischen 10 und 20 Jahren.

Frischer Naturlatex kann anfangs einen natürlichen Eigengeruch haben, der aber meist nach kurzer Zeit verfliegt.

An Zertifikaten wie GOLS oder QUL sowie einer klaren Materialangabe wie „100 % Naturlatex“.

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