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Aktualisiert von Laura am 3. Juni 2025
Veröffentlicht von Petra am 3. Juni 2025
Kurz und knapp: Polyurethanschaum im Überblick
- Besteht aus aufgeschäumtem Polyurethan
- Kann zugleich leicht, elastisch, stoßdämpfend und luftdurchlässig sein
- Lässt sich dank zahlreicher Varianten und Vorteile sehr vielseitig nutzen
- Haupt-Einsatzbereiche: Matratzen, Polster, Schallschutz, Fahrzeugindustrie, Sport, Bau
- Ist wiederverwendbar, sofern er einen funktionierenden Recycling-Kreislauf erreicht
Was ist Polyurethanschaum?
Polyurethanschaum (abgekürzt PU- oder PUR-Schaum) ist synthetischer Schaumstoff aus Polyurethan. Anlässlich seiner Entdeckung der Polyurethan-Synthese entwickelte der Chemiker Dr. Otto Bayer 1937 für die I. G. Farben (heute Bayer AG) den ersten PU-Schaum zunächst als eher zufälliges Nebenprodukt. Heute sind Polyurethanschäume in unterschiedlichsten Härtegraden, Elastizitäten und Strukturen erhältlich und weit verbreitet.
Herkunft der Bestandteile von PU-Schaum
Polyurethane können je nach Zusammensetzung Kunststoffe oder Kunstharze sein. Sie entstehen durch eine chemische Reaktion zwischen Diolen und/oder Polyolen (beides Alkoholverbindungen) und Isocyanaten (reaktiven organischen Verbindungen). Diese Rohstoffe werden überwiegend aus Erdöl gewonnen, können jedoch − bislang erst in geringerem Maß − auch aus nachwachsenden Rohstoffen wie Rizinusöl hergestellt werden.
Herstellung von Polyurethanschaum
Für die Herstellung der meisten PU-Schaumstoffe werden Polyol und Isocyanat gemischt und mit Treibmitteln versetzt. Dabei entstehen gasförmige Bestandteile, die eine Schaumbildung bewirken. Beigemischte Katalysatoren steuern den Ablauf der chemischen Reaktion und beeinflussen die spätere Zellstruktur des Schaumstoffs. Je nach Rezeptur und Herstellungsprozess entstehen unterschiedliche Schaumstofftypen mit verschiedenen Eigenschaften.
Eine umweltfreundlichere Methode ohne Treibmittel ist das mechanische Aufschäumen der angemischten Grundmasse mit Luft − ähnlich wie bei Eischnee. Dank ihrer überwiegend geschlossenzelligen Struktur sind solche einkomponentigen Polyurethanschäume besonders feuchtigkeitsabweisend und reißfest. Sie werden hauptsächlich als Dichtungsmaterialien in Automobilindustrie, Maschinenbau und Elektronik genutzt.
Eigenschaften von Polyurethanschaum
PUR-Schaumstoffe sind in unterschiedlichsten Varianten verfügbar und können zahlreiche Vorteile in sich vereinen, darunter:
Ausgewählte Eigenschaften
- Resistenz gegen schnelles Verrotten
- Je nach Struktur sehr gute Anti-Rutsch-Eigenschaften
- Gute Wärme-Isolierung (besonders Hartschaum)
- Feuchtigkeitsabweisend (geschlossenzellige PUR-Schäume)
- Atmungsaktivität und Luftdurchlässigkeit (offenzellige PUR-Schäume)
- Hohe Elastizität und Rückstellkraft (v. a. Weichschaumvarianten)
- Relativ niedriges Gewicht bei hoher Formstabilität
- Variabler Härtegrad, abhängig von der Materialzusammensetzung
Die Nachteile von PU-Schäumen ergeben sich vornehmlich aus der mangelnden Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit ihres Ausgangsstoffs Polyurethan. Die PU-Produktion erfordert große Mengen Energie und den Einsatz von umweltbelastenden Stoffen wie Chlor und Isocyanaten. Für die Verarbeitung giftiger Isocyanate schreibt die Europäische Chemikalienverordnung REACH seit 2023 Personal-Schulungen und strenge Arbeitsschutzmaßnahmen vor. Umweltverbände rügen den Einsatz von Erdöl in der PU-Herstellung. Alternative „grüne“ Herstellungsverfahren werden inzwischen jedoch erprobt. Auch gelingt es ersten Recycling-Projekten, altes PU in seine Ausgangsstoffe zerlegen − doch Fachleute kritisieren die weiterhin sehr aufwendige Entsorgung. Die Verbrennung von PU-Schaum kann giftige Dämpfe freisetzen, was auch bei Hausbränden gefährlich werden kann.
Manche PUR-Schaumstoffe enthalten die Flammschutzmittel TCEP, TCPP oder TDCP (sog. Organophosphate). Die Verwendung dieser Substanzen in Babymatratzen, Kindersitzen, Tragen oder Kinderwagen könnte jedoch laut einem Bericht der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) bei Kindern Krebs auslösen. Ob und ab welcher Konzentration sie tatsächlich toxisch wirken, ist aber noch nicht zweifelsfrei geklärt.
Umwelt und Gesundheit
Bedenken gegen Polyurethanschaum
- Umweltbelastung im Vorfeld durch energieintensive Chlorproduktion
- Giftige Isocyanate während der Herstellung (Atemwegsreizungen, Allergien)
- Abhängigkeit vom endlichen Rohstoff Erdöl
- Schwierige Entsorgung, Recyclingprobleme
- Freisetzung toxischer Dämpfe im Brandfall (Blausäure, Isocyanat etc.)
- Schaumstoffe aus thermischem PU können hormonstörende Weichmacher enthalten
- Polster und Matratzen aus PU-Schaumstoffen können krebsverdächtige Organophosphate enthalten
Auf der Suche nach schadstoffgeprüften Polstern und Matratzen können geben Labels wie CertiPUR™, OEKO-TEX® STANDARD 100 / KLASSE 1, der Blaue Engel oder das Siegel NATURTEXTIL IVN zertifiziert BEST erste Orientierung bieten. Diese Qualitätssiegel prüfen teils sehr unterschiedliche Parameter, wollen aber allesamt auf niedrige Schadstoffwerte in den gekennzeichneten Produkten hinweisen.
Da es bislang nur sehr wenige umwelt- und gesundheitsverträglichere Alternativen mit ähnlichen positiven Eigenschaften gibt, empfehlen Umweltbehörden und Verbraucherschutz-Organisationen, Produkte aus PU-Schaumstoff zumindest bewusster zu nutzen. So kann der Kauf hochwertiger, langlebiger Matratzen oder Polster den CO₂-Abdruck auf lange Sicht senken: Sie müssen seltener ersetzt werden, was Ressourcenverbrauch und Müllmengen verringert.
Beschreibung und Verwendung der wichtigsten PU-Schaumtypen
Bei der Verarbeitung von PUR-Schaumstoffen verwenden viele Betriebe sogenanntes Halbzeug − also fertigen Schaumstoff, meist in zugeschnittener Form. Andere stellen die Schaumstoffe erst vor Ort aus den flüssigen Komponenten her (Ortschaum, auch: „formed in-place foam“). Spezielle Komponenten können auch auf Oberflächen aufgebracht werden und „verwandeln“ sich unmittelbar darauf zu Schaum.
Polyurethanschaum ist als nachgiebiger Weichschaum, aber auch als stabiler Hartschaum verfügbar. PUR-Weichschäume decken dank ihrer vielfältigen Eigenschaften ein weites Festigkeits- und Dichtespektrum ab. Die geschlossenzellige Struktur von PUR-Hartschäumen verhindert das Eindringen von Wasser und Luft, was diese zum idealen Dichtungsmaterial macht. Zudem sind sie leicht, stabil und reißfest.
Typische Anwendungen für Polyurethan-Weichschäume
- Matratzen
- Komfortschaum
- Weich bis mittelfest, preisgünstig
- offenporig, atmungsaktiv
- Gute Anpassungsfähigkeit an den Körper
- Kaltschaum
- Weich bis sehr fest, langlebig
- wabenartige Zellstruktur, offenporig, sehr atmungsaktiv
- Hohe Punktelastizität und Rückstellkraft
- Viscoschaum (Memory Foam)
- thermoelastisch und drucksensitiv
- gute Druckpunkt-Entlastung
- aber: langsame Reaktion auf Druckverlagerung (nächtliches Umdrehen)
- Gelschaum
- PU-Schaum mit Gel-Zugabe oder gelartigen Eigenschaften
- hohe Anpassungsfähigkeit, weiches Liegegefühl
- Sehr gute Temperaturregulierung
- Komfortschaum
- Möbel und Inneneinrichtung
- Polsterung von Sofas, Sesseln, Stühlen
- Armlehnen und Rückenlehnen in Sitzmöbeln
- Schallschutz und Akustik
- Schalldämmplatten für Tonstudios und Büros
- Paneele zur Verbesserung der Raumakustik
- Fahrzeugindustrie
- Sitzpolster, Kopfstützen, Armlehnen
- Innenraumdämmung (Lärmschutz, Isolierung)
- Schutz- und Verpackungslösungen
- Stoßdämpfende Schaumstoffe für empfindliche Geräte
- Formangepasste Verpackungseinlagen
- Sport- und Freizeitartikel
- Fahrrad- und Motorradsattel
- Schutzausrüstung (Helmeinlagen, Knieschützer)
- Griffe für Tennisschläger und Fitnessgeräte
- Bekleidungs- und Schuhindustrie
- Sohlen für Komfort- und Sportschuhe
- Protektoren in Motorrad- und Arbeitsschutzkleidung
- Medizintechnik
- Sitzkissen und Lagerungshilfen für Patienten
- Orthopädische Einlagen und Prothesenpolster
- Schaumstoffschienen für verletzte Gliedmaßen
- Chemie
- Filter
Typische Anwendungen für Polyurethan-Hartschäume
- Bauwesen
- Wärmedämmung von Dächern, Wänden, Decken und Fußböden
- Isolierung von Rohrleitungen und Heizsystemen
- Dämmstoffe in Fassaden- und Sandwichpaneelen
- Kälte- und Wärmetechnik
- Isolierung von Kühl- und Gefriergeräten
- Wärmedämmung von Fernwärmeleitungen
- Dämmung von Warmwasserspeichern und Boilern
- Transport- und Automobilindustrie
- Isolierung von Kühltransportern und -containern
- Softbeschichtung auf Griffen
- Geräusch- und Vibrationsdämmung
- Luft- und Raumfahrt
- Strukturbauteile für Flugzeuge aufgrund von Leichtigkeit und Stabilität
- Wärmedämmung in Raumfahrtmodulen
- Verpackungsindustrie
- Schutzverpackungen für empfindliche technische Geräte
- Stabile Formteile für Transport- und Lagerbehälter
- Schiffbau
- Schwimmkörper und Auftriebskerne für Boote
- Isolierung von Schiffsrümpfen
- Modell- und Formenbau
- Herstellung von leichten, stabilen Modellen und Prototypen
- Formkerne für Gussverfahren
- Elektronikindustrie
- Isoliermaterial für elektrische Bauteile
FAQ
Ausgehärteter Polyurethanschaum gilt als weitgehend unbedenklich. Einige PUR-Schaumprodukte können jedoch flüchtige organische Verbindungen (VOCs) oder Weichmacher enthalten, weshalb du auf Qualitätssiegel wie CertiPUR™ oder Öko-Tex Standard 100 achten solltest.
Die Lebensdauer hängt von der Qualität des Schaums ab. Hochwertige Kaltschaum- und Viscoschaum-Matratzen halten in der Regel rund 10 Jahre und länger, während du einfachste Komfortschaummatratzen wegen ihres schnelleren Verschleißes nach 5 bis 7 Jahren austauschen solltest.
Ja, Polyurethanschaum kann recycelt werden, beispielsweise durch mechanische Zerkleinerung zur Herstellung von Verbundschaum oder durch chemisches Recycling zur Rückgewinnung der Rohstoffe. Trotzdem werden weltweit noch immer große Mengen PU-Schaum am Recyclingkreislauf vorbei entsorgt (meist verbrannt).