Polyphasischer Schlaf

Aktualisiert am 22. November 2023
Veröffentlicht am 1. Juli 2021

Was ist polyphasischer Schlaf?

Polyphasischer Schlaf bedeutet, dass das Schlafpensum ĂŒber mehrere Intervalle ĂŒber den Tag verteilt wird. Durch kurze intensive Schlafphasen soll sich so der Gesamt-Schlafbedarf verringern. Man gewinnt Lebenszeit. Die Frage ist, ob so auch alle lebenswichtigen Funktionen des Schlafes aufrechterhalten werden. Dazu liegen belastbare Untersuchungen nicht vor.

EinfĂŒhrung: Polyphasischer Schlaf

Wer kennt das nicht: Die Zeit ist knapp. Die To-Do-Liste ist lang, der Tag eigentlich viel zu kurz. Nicht wenige Menschen kommen da auf die Idee, sich Zeit freizuschaufeln. Eine Ressource ist dafĂŒr besonders naheliegend: der Schlaf. Kein Wunder, dass der Schlaf zum Objekt der Begierde wird. Allerdings ausgerechnet dadurch, dass man ihn nicht schlĂ€ft. Intervallschlafen ist nicht nur interessant fĂŒr Astronauten oder Einhandsegler*innen, sondern fĂŒr alle, die Effizienz in die Zeit bringen mĂŒssen. Ein Rezept dafĂŒr soll der polyphasische Schlaf sein. Wir wollen im Folgenden betrachten, was sich hinter diesem Schlafmuster verbirgt.

Das Wechselspiel des Schlafes

Schlaf ist gekennzeichnet durch sehr geringe körperliche AktivitĂ€t und eine so gut wie gar nicht vorhandene Wahrnehmung der Umwelt. Dennoch handelt es sich um eine aktive, komplex geregelte Abfolge von Ereignissen und physiologischen ZustĂ€nden. Die mĂŒssen wir uns kurz anschauen, weil sie auch fĂŒr den polyphasischen Schlaf von großer Bedeutung sind. Unser Schlaf in der Nacht hat mehrere Stadien. Tiefschlafphasen, in denen wir nur schwer zu wecken sind, wechseln sich dabei mit Leichtschlafphasen ab. Ein normaler gesunder Schlaf ist laut der Deutschen Gesellschaft fĂŒr Schlafmedizin (DGSM) und der American Academy of Sleep Medicine (Amerikanische Akademie fĂŒr Schlafmedizin, AASM) durch fĂŒnf Schlafstadien gekennzeichnet:

Die 5 Schlafstadien

Stadium W (wach)

Stadium N1 – vorĂŒbergehender Leichtschlaf (Non Rapid Eye Movement (NREM 1)

Stadium N2 – stabiler Leichtschlaf (NREM 2)

Stadium N3 – Tiefschlaf (NREM 3 + NREM 4)

Stadium R – REM- bzw. Traumschlaf (REM)

Zusammen ergibt das einen etwa 70- bis 110-minĂŒtigen Zyklus. Er wiederholt sich bis zu fĂŒnfmal pro Nacht. Wobei sich die Zusammensetzung der Zyklen im Laufe einer Nacht verĂ€ndert. Die Tiefschlafphase nimmt beispielsweise zum Morgen hin ab, die Traumschlafphase nimmt zu.

MĂŒssen wir schlafen?

Die Schlafforschung ist ein Teilgebiet der Medizin, das noch gar nicht so lange existiert. Allumfassend erforscht ist der Schlaf noch nicht. Der aktuelle Stand des schlafmedizinischen Wissens findet sich zum Beispiel hier. Halten wir an dieser Stelle ein paar wesentliche Erkenntnisse fest: Schlaf ist fĂŒr das Gehirn und den gesamten Organismus notwendig. Der Schlaf hat lebenswichtige Funktionen. Wir sparen Energie, wenn wir schlafen. WĂ€hrend wir schlafen, können wir ĂŒber einen relativ langen Zeitraum fasten. Auch die GedĂ€chtnisbildung profitiert vom Schlaf. Im Wachzustand Gelerntes wie Wissen oder motorische AblĂ€ufe beherrschen wir besser mit Schlaf als ohne. Das belegen Studien. Schlaf ist auch ein echter Bringer fĂŒr die Erholung und Neuordnung unseres Gehirns. Zell-Abfallprodukte werden abgebaut und uns wichtige Informationen werden von unwichtigen getrennt. Immunsystem, Stoffwechsel und Hormonsystem kommt der Schlaf ebenso zugute.

Gut Schlaf will Weile haben

Die eine Menge Schlaf, die fĂŒr alle Menschen gleich gut ist, gibt es nicht. Erwachsene schlafen durchschnittlich 7-8 Stunden. Einige fĂŒhlen sich bereits nach 5 Stunden erholt, andere erst nach 10. Die Faustregel heißt eigentlich: Du hast genug geschlafen, wenn Du tagsĂŒber, auch bei lĂ€ngerer Arbeit im sitzen, einer BeschĂ€ftigung nachgehen kannst, ohne schlĂ€frig zu werden. Wissenschaftler gehen davon aus, dass unsere Erbanlagen zu einem Großteil unseren individuellen Schlafbedarf bestimmen. So muss jede*r fĂŒr sich selbst herausfinden, was beim Schlaf fĂŒr ihn/sie Phase ist, um einen geschmeidigen Übergang zum polyphasischen Schlaf zu finden.

Schlaf in Intervallen

Mono, Bi, Poly – das könnte der Name fĂŒr ein neues Brettspiel ĂŒber den Schlaf werden. TatsĂ€chlich sind das (aus dem griechischen stammende) Bestimmungsworte, durch den das Grundwort “Phase” eine spezielle Bedeutung erhĂ€lt. Beginnen wir mit dem monophasischen Schlaf.

Der monophasische Schlaf

Wahrscheinlich dĂŒrfte der monophasische Schlaf das uns gelĂ€ufigste Schlafmuster sein. Dahinter verbirgt sich die Form mit nur einem Schlaf pro Tag. Wobei zu erwĂ€hnen ist, dass der monophasische Schlaf nicht wirklich ein geschlossener Schlaf-Block in der Nacht ist, sondern Zyklen durchlĂ€uft, wie oben ausgefĂŒhrt.

Der biphasische Schlaf

Eigentlich hat erst die kĂŒnstliche Beleuchtung den monophasischen Schlaf als unser ĂŒbliches Schlafmuster etabliert. Davor war der biphasische Schlaf in der Regel normal. Geschlafen wurde, sobald es dunkel wurde. Im Herbst und Winter waren die NĂ€chte allerdings so lang, dass zunĂ€chst vier bis fĂŒnf Stunden am StĂŒck geruht wurde, dann mitten in der Nacht eine Wachphase von ein bis zwei Stunden stattfand, um die Nacht mit weiteren drei bis vier Stunden Schlaf abzuschließen. Heute kennen wir den biphasischen Schlaf eigentlich durch die Schlafverteilung auf einen Nacht- und einen Mittagsschlaf.

Der polyphasische Schlaf

Wenn der tĂ€gliche Schlaf in mehrere Abschnitte aufgeteilt wird, spricht man vom polyphasischen Schlaf. Die nĂ€chtliche Schlaf-Zeit ist kĂŒrzer und wird angereichert durch zusĂ€tzliche Schlafphasen tagsĂŒber. Die Idee dahinter ist, dass sich der Körper wĂ€hrend der kurzen Schlaf-Abschnitte den REM-Schlaf (s.o.) holt. Gespart wird so an den vermeintlich weniger wichtigen Ein- und Leichtschlafphasen. Mehrphasen-SchlĂ€fer*innen wollen also beim Schlaf quasi die Spreu vom Weizen trennen. Dazu verlassen sie die herkömmliche Schlafarchitektur und setzen auf neue Schlafmuster. Drei der bekanntesten schauen wir uns jetzt genauer an: „Everyman“, „Dymaxion“ und „Uberman“.

Schlafmuster „Everyman“

Beim Schlafmuster “Everyman” gibt es eine Haupt-Schlafphase und mehrere kurze Tages-Schlafphasen. Der Nachtschlaf ist relativ kurz und erreicht max. 4,5 bis min. 1,5 Stunden. Dazu gesellen sich zwei bis fĂŒnf Nickerchen mit einer Dauer von 20 Minuten. Der Schlaf lĂ€sst sich so je nach Muster auf bis zu 3 Stunden reduzieren.

Schlafmuster „Dymaxion“

Beim Schlafmuster „Dymaxion“ wird komplett auf eine Hauptschlaf-Phase verzichtet. Stattdessen sollen vier halbstĂŒndige Nickerchen den gesamten Schlafbedarf ergeben. Die mĂŒssen diszipliniert alle sechs Stunden stattfinden und reduzieren so die Schlafzeit auf 2 Stunden.

Schlafmuster „Uberman“

Ähnlich wie der Dymaxion verlĂ€uft auch das Schlafmuster “Uberman”. Alle vier Stunden wird dafĂŒr diszipliniert ca. 20 Minuten geschlafen. Sechs kurze Schlafphasen ergeben so insgesamt 2 Stunden Schlaf.

Überblick der Schlafmuster

NameSchlafdauerPhasenanzahlKurzbeschreibung
Everyman mit zwei Napsca. 5h5 Phasen4,5h Haupt-Schlaf und zwei 20-minĂŒtige Schlafphasen
Everyman mit drei Naps4h5 Phasen3 Stunden Haupt-Schlaf und drei 20-minĂŒtige Schlafphasen
Everyman mit vier bis fĂŒnf Napsca. 3h5-6 Phasen1,5h Haupt-Schlaf und vier bis fĂŒnf 20-minĂŒtige Schlafphasen
Dymaxion2h4 Phasenviermal 30 Minuten Schlaf (alle 6h)
Uberman2h6 Phasensechsmal 20 Minuten Schlaf (alle 4h)

Polyphasische Schlaf-Praxis

Es gibt zahlreiche Erfahrungsberichte zum polyphasischen Schlaf. Stellvertretend haben wir zwei dokumentiert. Einmal unter diesem Link. Und dann in diesem Video.

Zudem gibt es natĂŒrlich Situationen, bei denen an ein normales Schlafmuster nicht zu denken ist. Stellvertretend seien hier Segelwettbewerbe wie z.B. die Einhand-Weltumsegelung genannt. Die Teilnehmer*innen können gar nicht anders als polyphasisch schlafen. Wenn auch nicht in der Hardcore-Version des Uberman, so ist auch das Schlafmuster des Fußball-Idols Cristiano Ronaldo mit großer Aufmerksamkeit bedacht worden. Sein System besteht aus sechs neunzig minĂŒtigen Schlafphasen, verteilt ĂŒber 24 Stunden.

Was sagt die Wissenschaft?

Stand jetzt scheint es keine wirklichen Langzeituntersuchungen ĂŒber den polyphasischen Schlaf zu geben. Das wĂ€re natĂŒrlich wichtig, um seriös beurteilen zu können, ob der mehrteilige Schlaf wirklich Vorteile hat oder womöglich sogar die Gesundheit schĂ€digt. Denn jĂŒngste Forschungsergebnisse belegen, dass vor allem das Gehirn ausreichend Schlaf benötigt. Von besonderer Wichtigkeit ist dabei die Entgiftung. Im Körper erfolgt sie hauptsĂ€chlich ĂŒber das Lymphsystem. Das Gehirn ist darin allerdings nicht eingebunden. Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, dass das Gehirn ein eigenes Entgiftungssystem hat. Über das Hirnwasser werden dabei Giftstoffe in den Blutkreislauf entsorgt. Der Clou: Am Tag funktioniert das nur halb so gut wie wĂ€hrend des Schlafs.

So bleibt die Frage, ob der kurze polyphasische Schlaf ausreicht, um diese Funktion wirklich vollumfassend zu gewÀhrleisten. Untersuchungen dazu wÀren wichtig, stehen aber noch aus.

Fazit

Es gibt Menschen, fĂŒr die polyphasische Schlaf-Muster funktionieren. Sie verringern ihren Gesamt-Schlafbedarf, indem sie ihn in mehrere kurze effiziente Schlaf-Phasen aufteilen. Das gilt besonders in Extremsituationen wie PrĂŒfungsvorbereitungen oder HochleistungswettkĂ€mpfen Ă  la Weltumsegelungen, extremer Radrennen wie das Race Across America etc. Ob der mehrteilige Schlaf auch eine Dauerlösung ist, bleibt die Frage. Dazu mĂŒsste die Forschung eine langfristige Studie durchfĂŒhren, um zu ermitteln, ob alle lebenswichtigen Funktionen des Schlafs auch sichergestellt sind wĂ€hrend der drastischen VerkĂŒrzung durch die Polyphasen. Zweifel sind erlaubt. Insofern scheint das schöne Ideal, sich Lebenszeit zu verschaffen, indem man den Schlaf erheblich reduziert, wohl nur fĂŒr eine kurze Zeit RealitĂ€t werden zu können.

FAQ

Die Frage ist, ob man wĂ€hrend der kurzen Schlafphasen tatsĂ€chlich ausreichend und nachhaltig regeneriert. Besonders das Immunsystem benötigt ausreichend Schlaf. Umstritten ist, ob das wĂ€hrend eines dauerhaften verkĂŒrzten Schlafs gewĂ€hrleistet ist.

Es gibt kein Schlafmuster, dass fĂŒr alle Menschen wie maßgeschneidert wĂ€re. GrundsĂ€tzlich ist es aber empfehlenswert, um das Mittagstief herum ein kurzes Powernapping von ca. 20 Minuten einzulegen.

GrundsĂ€tzlich besteht der Schlaf aus Schlafzyklen, die nacheinander ablaufen. Ein Schlafzyklus umfasst dabei ca. 90 Minuten. Man kann durchaus einen 90 minĂŒtigen Block aus der Nacht in den Tag verlegen, ohne gesundheitliche Einbußen zu haben.

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